In meinem Buch „Mein Leben als Pop-Papst“ und in meinen Lesungen und Vorträgen geht es nicht nur um Künstler und ihre Musik. Mir ist wichtig, mit den Stars auch über ihre Haltung zu den Problemen unserer Welt zu sprechen und zu erfahren, welche Werte für sie von Bedeutung sind.

Dazu der Text des Kapitels „Zugabe 2“ aus meinem Buch:

Unsere Welt ist im Umbruch. Mehr als je zuvor, so ist zumindest mein Eindruck. Ich bin ein Mensch, bei dem das Glas halb voll ist, nicht halb leer. Trotz meiner optimistischen Einstellung sehe ich, dass gerade vieles aus dem Ruder läuft. Vor 30 Jahren fiel die Mauer. Die Menschen in beiden Teilen Deutschlands haben sich gefreut und gefeiert. Was ist davon geblieben? Mir tut es weh, wenn ich in Erfurt auf dem Domplatz stehe und die menschenverachtenden Worte eines Björn Höcke höre. Oder wenn ich in den Nachrichten Meldungen über Herrn Trump, Herrn Erdogan oder Herrn Putin vernehme, die so gar nicht in mein Weltbild passen.

Ich bin kein Nachrichten- und Politik-Journalist, sondern für Unterhaltung und Rock’n’Roll zuständig. Aber auch in „Unterhaltung“ steckt das Wort „Haltung“. Bei meinen Interviews frage ich die Künstler oft, was wir tun können, um Werte wie Menschlichkeit, Würde, Freiheit und Frieden zu erhalten. Und bekomme Antworten, die hoffen lassen – egal ob jemand auf der Bühne Schlager singt oder Rock.

Little Steven von der E-Street-Band habe ich gefragt, ob Musik die Welt verändern kann. Seine Antwort: „Nein! Aber Rock’n‘Roll kann den Einzelnen verändern. Und jeder Einzelne kann die Welt verändern.“ Er geht auf die Natur ein: „Wir erkennen gerade, dass unsere Umwelt im Notfall-Zustand ist. Es ist spät, vielleicht sogar zu spät. Aber wenn wir jetzt handeln, und zwar gründlich, gibt’s vielleicht noch eine Chance.“ Und er spielt auf die Greta-Jugendlichen an. „Die junge Generation gibt mir Hoffnung, auch wenn sie erst in fünf Jahren wählen kann. Hoffentlich haben wir dann überhaupt noch einen Planeten…“

Leslie Mandoki erzählte mir bei der Vorstellung seines Konzept-Albums „Living in the Gap“: „Unsere Gesellschaft ist sehr wohlhabend, aber irgendetwas ist schief gegangen. Vor 30 Jahren regnete bei der Wiedervereinigung das Glück vom Himmel, aber wo ist das Glücksgefühl geblieben? Was hat meine Generation falsch gemacht? Warum haben wir diese Spaltung in der Gesellschaft? Wir haben zwar unseren Wohlstand vermehrt, sind aber mit vielen Dingen nicht so achtsam umgegangen.“

Melissa Etheridge sagte mir: „Mein Job als Künstlerin ist es, Gefühlen, Ängsten und Hoffnungen eine Stimme zu geben.“ Ein Song auf ihrem Album „Medicine Show“ handelt vom Schulmassaker von Parkland, bei dem am 14. Februar 2018 14 Schüler und drei Erwachsene von einem 19-Jährigen erschossen wurden. „Ich war gerade im Studio, als das passiert ist. Ich war sehr berührt und dachte, das kann doch nicht wahr sein. Ich wusste dann nicht, wo ich meinen Song dazu auf dem Album platzieren sollte. Ich habe ihn ans Ende gestellt: ‚Last Hello‘.“

Roland Kaiser habe ich in Dresden bei den Vorbereitungen zu „Kaisermania“ getroffen. Im Januar 2015 hatte er sich öffentlich gegen Pegida ausgesprochen. Dass Fans eventuell deshalb nicht mehr ins Konzert kommen oder seine Alben nicht mehr kaufen, macht ihm nichts aus: „Ich kann meine persönlichen politischen Meinungen und meine Verantwortung, die ich spüre oder auch meine Dankbarkeit nicht von merkantilen Interessen abhängig machen. Das muss ich hinnehmen und das ist auch wurscht in dem Moment. Ich habe klar gesagt, dass ich darauf stolz bin, in einem Land zu leben, in dem Menschen, die auf der Flucht sind, in lebenswürdigen Umständen leben können. Und ich habe zum Dialog aufgerufen. Wer mir das übel nimmt, muss damit fertig werden.“

„Morgen“ ist ein Song auf Peter Maffays Album „Jetzt!“. Das Video dazu zeigt Kriegsbilder, Flüchtlinge, getötete Menschen und zerstörte Natur. Peter Maffay: „Das ist die Realität. Das findet jeden Tag weltweit mehrfach statt. Es ist nur die Spitze des Eisbergs von dem, was derzeit auf unserem Planeten passiert. Wenn uns irgendetwas daran liegt, unsere kommenden Generationen in lebensrelevanten Umständen aufwachsen zu sehen, dann müssen wir jetzt etwas gegen die Missstände tun.“

Ich bin gefragt worden, was ich mir zu meinem 60. Geburtstag wünsche. Helft bitte mit, dafür zu sorgen, dass wir auch in Zukunft würdevoll mit uns und unserer Welt umgehen. Jeden Tag und überall.

Danke!

I LOVE MY LIFE.